Tritt man vor die Leinwandbilder von Georgus tun sich Licht
und Raum als neue Wirklichkeit im Oeuvre des Künstlers auf.
. . . .
Auf anderen Tableaus suggeriert das Gegeneinander von malerischer Aktion und ruhig
sich entziehenden Flächen ein Geschehen vor weiter Leere. Auch die plane
Zweidimensionalität der Bildoberfläche begegnet, fast collagenhaft
statisch im Nebeneinander konturierter Felder, die nicht einmal über eine
diagonale Verspannung im Bild in Bewegung geraten wollen.
Die Offenheit ins Unergründliche verheissen mehr oder weniger verborgene
Zonen des geschichteten Bildraums: Flächen, die mit entschiedenen
Pinselzügen abgedeckt sind -gleich verbarrikadierten Öffnungen-,
ausschnitthafte Durchblicke, Durchscheinendes, Verdunkeltes, nur mehr
Ahnbares binden den Raum, aus dem heraus das Bild seine ganze Wirklichkeit
gewinnt, an eine zeitliche Perspektive.
Die dritte Dimension liegt hier in der Geschichte des Ermalens eines jeden
Bildes. Ihre Architektur ist die eines Innenraums.
In seiner Statik wirken wesenlich die Energien einer kontrollierten
Eigendynamik von Farben, Feuchtigkeit und Leinwand, die Vitalität direkter
Gesten und Rhytmen, sowie die Entschiedenheit im Bannen und Formieren, sei
es als Ordnen oder Zeichensetzen.
Polaritäten werden dabei -meistens- aufgefüllt von den subtilen Kräften
des Übermalten, die aus diesem Erfahrungsraum des Bildes hochtreiben in
seine Gegenwart. Offensichtliches, Sichtbares und Verborgenes, Stabilität
und Bewegung sind dabei verbunden über eine Kette aus Aktion und Reaktion,
die sich durch alle Phasen des Bildes senkt.
Diese Kette fügt sich neu, in jedem Bild, das so zum Zeugnis von
Geschehen, Erleben und einem Handeln wird, das weitgehend ohne Prämisse an
die Arbeit geht.
Dieser Maler inszeniert nicht. Er verzichtet auf die Hilfestellung eines
ästhetischen Programms. Der Künstler ermalt etwas ihm selbst unbekanntes,
dem er sich aussetzt: von der Herausforderung der leeren Leinwand über das
Finden, Zweifeln, Verwerfen und Korrigieren, bis zum Sammeln und Klären
der Materie und Strömungen dieser Situation an einem Ort, dem Bild.
In ihren rauhen Tönen und Texturen bereits anti-illusionistisch, einsehbar
in den Stationen ihrer Entstehung, tritt mit diesem existenziellen
Durchstehen und Bewältigen des Malens auch die Wirklichkeit des
schaffenden Bewusstseins unverstellt ins Bild.
Es bindet es zu einer Entität und setzt -darüber hinaus- mit all dem nicht
sichtbar Formulierten, das gleichwohl am Bild beteiligt ist -diesem
ungreifbaren „kreativen Rest“ 2 -
dessen imaginären Raum frei, der die Notwendigkeit des nächsten Bildes
ahnen läßt.
In der Identität, mit der hier Bild und Leben aneinander wachsen geht auch
ein Verlangen weiter, das nicht befriedet innehält bei den Metaphern und
den Stimmungen, die unser Sehen sich heranzieht und versucht ist, sich als
Schlüssel zum Verständnis dieser Bildgestaltung zu nehmen.
Es gibt Konstanten in Farbigkeit, räumlicher Fassung und gestischen
Aufbrüchen, die sich durch das Werk von Georgus ziehen und die Person des
Malers dokumentieren. Doch alle Bildarcheologie findet nicht zum
Psychodrama des Schaffens, da es nicht verharrt in dem als gültig
gewonnenen Bild und seine Suche schon woanders weilt.
Die stille unpathetische Obsession in der Malerei von Georgus spricht von
einer nur vorläufigen Einheit der Wirklichkeit, die disperat bleibt.
Elke Schipper
1 althochdeutsch "was sich ereignet" ,
"Geschichte"
2 ein Begriff aus Th.W. Adornos
Aesthethische(r) Theorie“
zurück zur Galerie
|